Ob Gemälde van Goghs, japanische Farbholzschnitte oder Volkskunst- Objekte: Eine wachsende Zahl von Frauen legte um 1900 in Berlin Kunstsammlungen an oder förderte Kunstschaffende und Kunststile – und nahm so aktiv am Kulturleben teil. Diese Frauen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Museumswesens der Metropole und partizipierten maßgeblich an der Herausbildung dessen, was gemeinhin als Kunstkanon der Moderne verstanden wird. Trotzdem ist ihre Teilhabe an der kulturellen Entwicklung heute nahezu unbekannt. Anna-Carolin Augustin hat dieses Phänomen des Sammelns und Förderns bildender Kunst durch Frauen – begrifflich als Kunstmatronage gefasst – erstmals umfassend aufgearbeitet.
Kunstmatronage war ein voraussetzungsreiches Elitenphänomen. Die Frauen waren sämtlich Angehörige des Großbürgertums oder Adels, und sie waren mehrheitlich jüdischer Herkunft. Dieser letztere Aspekt hat auch dazu beigetragen, dass sie und ihr Anteil am Berliner Kunstgeschehen heute so unbekannt sind: die nationalsozialistische Verfolgung, die Auslöschung der Opfer und ihres Handeln wirken bis heute nach. Doch bereits um die Jahrhundertwende begegneten Zeitgenossen der weiblichen Agitation im Kulturbereich oft mit abwertenden, sowohl antijüdischen als auch frauenfeindlichen Argumenten. Auch dies zeichnet Augustin nach und macht deutlich, dass Kunstmatronage unabdingbarer Bestandteil der künstlerischen Moderne in Berlin war.
Anna-Carolin Augustin ist Historikerin. Zuletzt hat sie an der Golem-Austellung im Jüdischen Museum Berlin mitgewirkt und arbeitet derzeit an einer Ausstellung für die Akademie der Künste. Ihre Dissertation über Kunstmatronage wird 2017 als Buch veröffentlicht.
Gastgeberin ist Jasmin Sohnemann.