Vor mehr als hundert Jahren fanden in St. Petersburg die ersten Konzerte einer „Gesellschaft für jüdische Volksmusik“ statt, initiiert von jüdischen Kompositionsstudenten des Konservatoriums. Sie entwickelten einen national geprägten jüdischen Stil, in dem Elemente jüdischer Folklore und liturgischer Musik in europäische Konzertformen integriert waren. Die Entstehung einer eigenständigen jüdischen Richtung in der Musik war eng mit der geistigen Entwicklung des russischen Judentums am Anfang des 20. Jahrhunderts verbunden: Die Idee der nationalen Wiedergeburt hatte seit den 1880er Jahren anregend und befruchtend auf das jüdische Leben im Russischen Reich gewirkt.
Die Komponistenvereinigung um die St. Petersburger Gesellschaft für jüdische Volksmusik war Teil dieser kulturzionistischen Bewegung und eng mit anderen Kulturgebieten, etwa der Literatur, verknüpft. Die jüdische kulturelle Renaissance in Russland hat mehrere bedeutende Dichter und Schriftsteller hervorgebracht.
Jascha Nemtsov wird neben Kompositionen der Gesellschaft für jüdische Volksmusik aus Werken von Isaak Babel (1894-1941), Scholem Alejchem (Salomon Rabinowitsch, 1859-1916) und Mendele Mojcher Sforim (Schalom Abramowitsch, 1835-1917) lesen, die einen einzigartigen Einblick in das jüdische Leben dieser Zeit vermitteln.
Gastgeberin ist Sonia Simmenauer.
Jascha Nemtsov, 1963 in der UdSSR geboren, ist Pianist und Musikwissenschaftler mit einem Foschungsschwerpunkt auf jüdische Musik und jüdische Komponisten im 20. Jahrhundert.
Teil der Reihe "Jüdische Musik", gefördert von der Kulturbehörde Hamburg.