Vielleicht wären sie damals ein Liebespaar geworden, Lizzie und Yigal. Sie waren lebenshungrig, voller Neugier und Hoffnung. Doch dann geriet Yigal 1973 als israelischer Fallschirmjäger in syrische Kriegsgefangenschaft. Später überlebte er im Libanonkrieg als einziger von fünfundzwanzig jungen Soldaten eine
der größten Katastrophe der israelischen Armee, als alle anderen im Feuer der eigenen Kameraden starben. – Doch das ist lange her. Fast ein halbes Jahrhundert haben Lizzie und Yigal einander nicht mehr gesehen. Bis er sich plötzlich aus einem Hospiz in Tel Aviv bei ihr meldet, er hat nur noch wenige Stunden zu leben.
Warum bittet er ausgerechnet sie nach all dieser Zeit, sein letzter Besuch zu sein? Die Begegnung mit dem Sterbendem versetzt die Erzählerin in eine schlaflose Nacht, in der sie die gemeinsame Vergangenheit noch einmal an sich vorbeiziehen lässt: „Was wäre gewesen, wenn?“ Diese Frage durchzieht die dadurch ausgelösten immer wieder schmerzlichen Erinnerungsschübe, die auf vielfache Weise eng verknüpft sind mit der oft so traumatischen Geschichte Israels. Eine Infragestellung, die alte Wunden aufreißt und doch vielleicht Möglichkeiten eröffnen könnte, das, was war, in einem neuen, anderen Licht zu betrachten, jenseits der Spirale aus Traumata, Gewalt und Krieg. Lizzie Doron setzt sich in ihrem neuen Roman ein weiteres Mal hinterfragend mit der Geschichte Israels auseinander, indem sie die eigenen schmerzlich-schuldhaften Verstrickungen benennt und gleichzeitig den Gedanken an alternative Perspektiven immer wieder mitschwingen lässt.
Lizzie Doron, geboren 1953 in Tel Aviv, studierte zunächst Linguistik. Ihr erster Roman Ruhige Zeiten wurde mit dem von Yad Vashem vergebenen Buchman Preis ausgezeichnet. 2018 erhielt sie den Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung. 2019 war sie Friedrich-Dürrenmatt-Gastprofessorin für Weltliteratur an der Universität Bern. Sie lebt in Tel Aviv und Berlin.
Den deutschen Text liest die Schauspielerin Laura de Weck. Gastgeberin ist Friederike Heimann.
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